„Geburtstag ist ein schöner Tag – ich jeden Tag Geburtstag mag!“ Ja, der Pumuckl freut sich 364 Tage auf seinen Geburtstag. Manche Menschen würden ihren aber am liebsten jedes Jahr aus dem Kalender reißen. So auch Anna, die letzte Woche ihren Geburtstag gefeiert hat und jetzt vor mir sitzt. Ihre Stimmung ist am Tiefpunkt.
„Meine Stimmung ist be***!“, flucht Anna und lässt sich in den Sessel fallen. „Das geht schon seit Tagen so!“ Sie kann kein konkretes Gefühl damit verbinden. „Ich fühle mich wie ein nasser Sack: ungemütlich, leer und doch irgendwie schwer – zum Wegwerfen“, seufzt sie und zieht die Mundwinkel noch etwas tiefer. Nebenbei erwähnt sie ihren Geburstag letzte Woche. „Ob meine Stimmung vorher anders war? Ich glaube schon. In der Woche davor habe ich einige Projekte in der Arbeit abgeschlossen, am Tag vorm Geburtstag habe ich gemütlich begonnen alles für meine Feier herzurichten. Wie jedes Jahr habe ich meine Familie zum Essen eingeladen. Am Abend konnte ich schon schlecht einschlafen, am Geburtstagsmorgen wollte ich dann gar nicht aufstehen. Wäre mein Freund Max nicht so hartnäckig geblieben – ich hätte alles abgesagt“, stöhnt Anna. „Der Geburtstag war so wie immer: Ich habe mir Make-up und mein breitestes Grinsen aufgelegt, zwei Gläser Sekt getrunken und die Gäste empfangen. Small Talk, Vorspeise, Small Talk, Hauptspeise, Small Talk, Kuchen. Alles normal.“
Psychotherapie auf der Bühne
Ich lade Anna ein ihrer Stimmung nachzugehen. Der Praxisraum ist ihre psychodramatische Bühne. In die rechte Hälfte stellt sie einen Hocker, der für den Tag vor ihrem Geburtstag steht. In die linke Hälfte stellt sie einen Hocker für den Geburtstag selbst. Bevor Anna zum „Tag vor ihrem Geburtstag“ geht, biete ich ihr an ein Symbol dafür zu wählen. Aus einer Kiste sucht sie sich eine kleine orange Stoffmaus aus: „Die ist quirlig und neugierig, aber auch ein bisschen auf der Hut“ Anna stellt sich hinter den Hocker, zieht ihre Schultern hoch und schaut mich mit großen Augen an. Für einen kurzen Augenblick geht sie leicht in die Knie – sie wirkt dadurch einen Kopf kleiner. Ich mache Anna darauf aufmerksam und bitte sie diese Haltung und Bewegung langsam zu wiederholen. Sie soll dabei auf ihr Körperempfinden achten. „Ich bin etwas angespannt in meinem Schultern, aber nicht verkrampft. Meine Füße fühlen sich kribbelig an als wäre sie bereit loszuspringen. Es fühlt sich angenehm an.“ Anna wippt ein paar Mal mit den Knien und hält die Hände vor ihre Brust. Für einen kurzen Moment scheint sie zu grinsen.
„Es ist als würde mir jemand langsam den Strom abstellen.“
Jetzt biete ich Anna an in Richtung linkem Hocker, ihrem Geburtstag, zu gehen. In ihrem Tempo. Anna zögert und fängt an los zu schlurfen. Ihre Schultern hängen schlaff herunter, ihr Kopf ist leicht gesenkt. Am Hocker angekommen seufzt sie laut und ist stumm. Nach einigen Sekunden flüstert sie: „Es ist als würde mir jemand langsam den Strom abstellen.“ Anna macht eine Bewegung mit ihrer Hand als ob sie an einem Schalter drehen würde. „Es ist die Stimmung, die mich seit Tagen begleitet.“ Als Symbol wählt sie ein dunkelblaues Tuch, das sie unter den Hocker legt. „Das ist der nasse Sack. Am besten verstecke ich ihn.“
Strom an und Strom aus
Abseits der Bühne besprechen wir was Anna gerade erlebt hat. Am Tag vor ihrem Geburtstag war es zwar stressig, ihre Stimmung war aber gut bzw. angenehm. Das hat sie körperlich spüren können. „Ich habe mich aktiv gefühlt, ganz anders als nachher! Nachher habe ich fast gar nichts mehr gespürt, außer meinen flauen Magen.“ Wir besprechen, dass (nicht nur) Anna ihre Stimmungen körperlich erlebt. Es entstehen Atmosphären, die sich zwischen Aktivierung und Deaktivierung bewegen – Strom an, Strom aus. „Oder wie beim Staubsauger, dem man die Saugleistung auf- oder abdreht“, meint Anna.
Lustvoll und unangenehm
„…Muster des körperlichen Erlebens sind von Person zu Person und Szene zu Szene verschieden.“
Stimmungen sind damit verbunden, ob wir die aktuelle Lebenssituation als angenehm oder unangenehm erleben. Dabei sind diese Empfindungen häufig schwer mit Sprache zu beschreiben – es braucht Zeit und Aufmerksamkeit, um sie bewusst wahrzunehmen. Bilder und Symbole helfen uns oft dabei. Für Anna ist der Spannungsabfall mit einem unangenehmen Erleben verbunden. „Das ist aber nicht immer so“, Anna ein. „Manchmal bin ich ganz froh, wenn die Anspannung abfällt und ich etwas runter komme. Besonders wenn ich wieder mal die Nerven wegschmeiße“. Es geht also auch umgekehrt: Aktivierung kann unangenehm, ein Abfallen als angenehm empfunden werden. Wir erleben dann zum Beispiel eine Beruhigung oder entspannte Zufriedenheit. Diese Muster des körperlichen Erlebens sind von Person zu Person und Szene zu Szene verschieden.
Da tut mir gut!
„Warum verändert sich meine Stimmung vor meinem Geburtstag? Ich habe nie etwas furchtbar Schreckliches erlebt“, fragt Anna neugierig und schiebt ihre Schultern wieder leicht nach oben. Wir beschließen die Geburtstagsszene beim nächsten Termin genauer zu erkunden – unsere Entdeckungsreise hat gerade erst begonnen. „Heute hat es schon gut getan zu erleben, dass meine Stimmung auch besser sein kann“, sagt Anna erleichtert. Das Kribbeln in den Beinen kann sie auch jetzt etwas spüren. „Vielleicht gehe ich am Abend noch eine kleine Runde mit Max spazieren – das tut mir immer gut!“ Das ist eine großartige Idee: So sorgt Anna für sich und kommt wieder etwas in Schwung, spürt vielleicht etwas Leichtigkeit. Ob ich auch noch einen Vorschlag für sie hätte? Ja, da gibt es schon noch eine psychodramatische Übung, die wundervoll passt: die Kuschelübung (von Dr. Manfred Stelzig). Dazu aber auch mehr beim nächsten Treffen – für heute haben wir genug erlebt!
5 FRAGEN FÜR SIE
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Wie erleben Sie Stimmungen?
Gibt es Menschen in ihrer Nähe, die gut spüren können wie es Ihnen geht?
In welchen Situationen bekommen Sie schlechte Stimmung?
In welchen Situationen bekommen Sie gute Stimmung?
Was machen Sie damit sich Ihre Stimmung verändert?
Zum Weiterlesen:
Geuter, U. (2015). Körperpsychotherapie: Grundriss einer Theorie für die klinische Praxis. Berlin: Springer.